„Die Weisheit des ungesicherten Lebens“ ist der Titel eines Buches des vor fast 50 Jahren verstorbenen Religionsphilosophen Alan Watts. Neben christlicher Theologie hat er sich mit Zen-Buddhismus, Daoismus und Taijiquan beschäftigt.
Alan Watts hatte, genau wie die Daoisten, ein tiefes Gefühl für die Unbeständigkeit des Daseins, den ewigen Wandel, die stete Veränderung.
Unsere Zellen erneuern sich ständig, die Jahreszeiten wechslen, der Wind bringt immer neuen Wolkenformationen hervor, Leben entsteht, Leben vergeht. Unsere Gefühle verändern sich, manchmal schneller als uns lieb ist. Im Moment der Freude gibt es nur Freude, aber ein Gedanke des Zweifelns kann alles ins Wanken bringen. Im Moment des Kummers gibt es nur Kummer, und wir können uns kaum vorstellen, dass er vergeht. Und doch wird es so sein.
In diesem ständigen Wandel sehnen wir uns oft nach tiefen Frieden, der bleibt und sich nicht ändert.
„Die Kunst in diesem Zwiespalt zu leben, besteht weder in sorglosem sich Treiben lassen, noch in ängstlichem Anklammern. Sie besteht darin, gegenüber jedem Augenblick völlig empfindsam zu sein, ihn als völlig neu und einzigartig zu betrachten. Daraus entsteht Lebendigkeit.“
Dieses Ge-Wahr-Sein dessen was gerade wirklich ist, kann uns in einen Modus der Offenheit versetzen, in dem wir ruhiger und gelassener sein können. Dann können wir mit der Anstrengung aufhören, uns unangenehmer Gefühle entledigen zu wollen Dies wird uns erstens nicht gelingen und zweitens zu einer unguten inneren Anspannung führen.
Spannung entsteht auch, wenn wir einen Widerspruch zwischen dem Bedürfnis nach Sicherheit und der Gundnatur der Welt, die ewiges Fließen, fortwährender Prozesse ist, konstruieren. Usprung dieser Spannung ist, dass wir unser „Ich“ als getrennt von allem auffassen, was Angst, Sorge und Fasthalten wollen auslösen kann.
In dem Moment, in dem wir begreifen, dass es die Sicherheit eines festumrissenen, beständigen „Ich“ gar nicht gibt, können wir Loslassen und sehen, dass es nur gegenwärtige Erfahrung gibt.
Hier noch zwei schöne Sätze von Alan Watts:
„Wenn ich sicher zu sein wünsche, d.h. beschützt vor dem Fluss des Lebens, so wünsche ich, getrennt vom Leben zu sein.“
„Das Mysterium des Lebens ist nicht ein Problem, das gelöst werden muss, sondern eine Wirklichkeit, die erfahren werden möchte.“
Aus „Die Weisheit des ungesicherten Lebens“, 1951
Gerade, wenn das Leben wieder einmal zu sehr „in Fluss“ geraten ist und wir nicht genau wissen, wohin das Fließen geht, und die Unsicherheit groß ist, können solche Gedanken hilfreich sein – mir geht es jedenfalls so!
Eines meiner Lieblingsbücher von Alan Watts, „Der Lauf des Wassers“, wird immer wieder neu aufgelegt und bietet eine sehr schöne Einführung in die Denkweise des Daoismus.