So heißt, vielleicht etwas irritierend, der Titel meines Vortrags, den ich im Rahmen einer öffentlichen Ringvorlesung am 07.10.19 um 18 Uhr, in der Phänomenta halte. Die Ringvorlesung wird von der Europa Universität Flensburg im Rahmen des Projektes „Eine Uni – ein Buch“ organisiert. Die Uni hat einen Wettbewerb der Zeit-Stiftung mit ihrem Konzept zu: Hartmut Rosa, „Unverfügbarkeit“, gewonnen und wird im Herbst / Winter 2019 eine Reihe von Veranstaltungen dazu koordinieren, auch im außeruniversitären Bereich.
Der Soziologe Hartmut Rosa beschreibt in seinem sehr lesenswerten Buch, dass das Bestreben die Welt immer verfügbarer, beherrschbarer, berechenbarer und kontrollierbarer zu machen, dazu führen kann, dass sie uns letztlich immer fremder erscheint und wir nicht mehr in wirkliche Resonanz treten können. Dies lässt schnell ein aggressive Grundstimmung entstehen, wenn sich Dinge, Menschen, komplexe Situationen, nicht mehr kontrollieren lassen und sich unserer Reichweite entziehen.
Die alte chinesische Weisheitstradition des Daoismus hat das sich Verfügbarmachen von Welt immer skeptisch gesehen und Themen wie Resonanz, Selbst-Zurücknahme und Genügen-Lassen für ein gelingendes Leben hervorgehoben. So können Geschichten vom uralten, knorrigen Baum, in dessen Schatten es sich herrlich müßig spazieren ließ und der, gerade weil er so schief gewachsen war, nicht gefällt wurde, oder die Verse über die Nachgiebigkeit und Weichheit des Wassers, einen kleinen Kontrapunkt dazu setzen.
Alle Veranstaltungen können hier eingesehen werden:
Hier der Ankündigungstext zu meiner Vorlesung:
Vom Nutzen des Nutzlosen
Einblick in die Weisheitstradition des Daoismus, die in der Kunst des „Nicht-Handeln“ heitere Gelassenheit aufscheinen lässt und einen Gegenentwurf zum Selbstoptimierungswahn unserer Zeit bildet
In diesem Vortrag möchte ich Sie mitnehmen auf einen heiter-vergnüglichen Spaziergang durch das altchinesische Weisheitsbuch Zhuangzi, in dem bereits vor 2500 Jahren Sein und Schein, Resonanz und Sich-Lassen-Können, thematisiert wurden. Unterwegs werden wir auch Laozi treffen und die durchaus ernsthafte Frage stellen, was uns Ideen wie „wuwei“ (Nicht-Handeln) und „ziran“ (von-Selbst-so) heute noch sagen können. Die Ostasiatische Kultur mit ihrer tiefen Einsicht in den letztlich unverfügbaren Wandel allen Gegebenen, versteht sich von Grund auf als handelndes Antworten, auf mitschwingendes sich Ein-Lassen auf Prozesse und Situationen. In Resonanz kommen ist hier Voraussetzung für ein gelingendes Leben und spielt sich nicht nur zwischen zwei Menschen oder Mensch und Ding ab, sondern genauso zwischen Mensch und Natur / Jahreszeiten / Atmosphären. Vielleicht kann die Beschäftigung mit dem Daoismus eine „Art Medizin darstellen, die in gewissen Dosen heilsam ist, wenn es darum geht, der einen oder anderen philosophischen Zivilisationskrankheit entgegenzuwirken“ (H.-G. Möller, Sinologe)
Zum Ende des Vortrags möchte ich Sie einladen, anhand von zwei kleinen Übungen leiblich zu erfahren, was Sich-Lassen und Gelassenheit miteinander zu tun haben.